Alpennordseitig lässt der Winter auf sich warten. Zum Jahreswechsel zwei Wochen Urlaub und über Weihnachten Südstau mit über 1m Neuschnee in den Südstaulagen. Endlich mal wieder mit dem Bus nach Bivio fahren und Skitouren im frisch verschneiten Hochgebirge gehen. Powder und Sonne. Und paar Tage später zum Laserzlauf nach Lienz. Doch alles anders…
“Ohhh- und da hebt es ihn über die Bodenwelle aus… eieieiei – ohhh ein weiter Flug und schwerer Aufschlag, nein, das schaut nicht gut aus: Ski und Stöcke ffliegen davon und da er bleibt er endlich liegen… Ja und jetzt steht er wieder auf, schüttelt sich – es scheint nichts passiert zu sein!” So hätte man Lorenz’ Sturz im kommentieren können. Es war dabei doch etwas passiert: Er hat sich einen Tag vor der geplanten Abfahrt den Daumen gebrochen. Also adee Pulverschnee. Alternative: Keller ausräumen.
Drei Tage später, nach Abbau alter Schrankwände und Bewegen von über 750kg späteren Sperrmülls lässt mich Andrea ziehen: Mit Markus Stadler und Kathrin, einer Bekannten von ihm geht es für drei Tage ins Villgratental. Markus ist ein wandelndes Skitourenlexikon. Was er nicht an Touren kennt, hat er zu Hause an Literatur stehen. Jetzt kennt er viel und hat viel an Literatur zu Hause stehen. Das ergibt ein maximales Skitourenwissen. Auch über die alpenweite Schneeverteilung ist er bestens informiert, und so steht drei schönen Tagen nichts entgegen. Und wenn schon Ost Tirol, dann starte ich auch beim Laserzlauf in Lienz. Markus und Kathrin fahren dann mit dem Zug heim.
Hinterm Südportal des Felbertauerntunnels erwartet uns der Winter, Lienz huscht vorbei. Der Abzweig ins Villgratental auch. Umgedreht, zurück gefahren, Stellplatz gefunden, Nudeln gegessen und ab in die Schlafsäcke.
Wie es uns im Reich der “Kinkele”(Rotes Kinkele, Markinkele, Pürgeleskunke) erging, könnt Ihr bei Markus hier lesen. Alles, was ich schreiben könnte wäre nur eine Wiederholung dessen. Auch hater schöne Bilder gemacht. Schauts dort vorbei. Es hat dort super Touren und ich komme bestimmt wieder. Da gfoids ma.
Markus und Kathrin sind am Bahnhof in Innichen abgeliefert und es wird still im Bus. Ich fahre zurück nach Lienz, wo mich 0° und Schneeregen erwarten. Auf dem Weg zum Einkaufen stapfe ich durch Schneematsch. Schee… Die Motivation für den Laserzlauf hält sich in Grenzen. Die Strecke wurde wegen der angekündigten Neuschneefälle verkürzt – nun ists nicht mehr so alpin und weniger reizvoll. Aber mei, jetzt bin ich da. Zum Startort fahren, Zeug zammpacken und herrichten, um 18:30 im Stammlokal der Alpinraute Lienz Startnummer holen und Abend essen. Es singen Sternensinger – doch wieder schön.
Während der Nacht gibt es nochmal über 40cm Neuschnee, unten regnet es. Startvorbereitung wie immer. Strecke nochmal verkürzt, weil oben im Kessel mittlerweile Lawinenlage 4. Bleiben nun noch knapp 1.300Hm Aufstieg und 900Hm Abfahrt. Für die Österreicher ist es eines der Ausscheidungsrennen für die Europameisterschaft und einige Topläufer aus Italien nutzten das Rennen als Vorbereitung für die baldigen Europa Cups. Das ist jetzt so, als würde man Radrennen mit Jens Martin, Wiggins und Froome fahren. Aber es startet auch die Hobbyklasse und alles läuft familiär ab.
Zum Start hört der Regen auf und drei, zwei, eins – ab gehts. Zumindest etwas weiter hinten ist das Anfangstempo nicht ganz am Anschlag. Zuerst gehts die Schlittenbahn hinauf. Die Felle gleiten nicht wirklich gut und auf den Flachstücken rutscht es zäher als bei den Mitläufern um mich herum, dafür geht es bergauf umso besser. Ich überhole, werde überholt. Nach 20 Minuten ziehe ich langsam an einem Läufer vorbei, der klebt sich an meine Fersen. Ein anderer entschwindet gaaanz langsam. 300, 400, 500Hm, Gel, trinken, nicht dem Schweinehund nachgeben, Tempo halten. Meinen Verfolger schüttel ich in kurzen steilen Passagen immer wieder ab. In den Flachstücken kommt er wieder heran und in einer etwas abschüssigen Passage gleitet er an mir vorbei. Das wars. Sakra – da muss ich ja in der Abfahrt dann rauf skaten, wo ich doch mit meiner Hand nicht richtig anschieben kann. Das wird spassig. Wir kommen in den letzten, engen und gespurten Abschnitt, der durch einen schönen Graben führt. Echtes Skitourengelände. Ich ereiche einen weiteren Läufer. Als meine Felle nun im Neuschnee anstollen, kann ich ihm nicht weiter folgen und gehe über die letzten 100Hm mein Tempo.
21 sec. liege ich an der Wechselzone auf ihn zurück. Auf den letzten Metern Trikot aufmachen, Wechsel: Schuh schließen, Bindung auf Abfahrt stellen, aber noch nicht die Ferse verriegeln, Fell runter, zusammenlegen, vorn ins Trikot und gleichzeitig die Ferse verriegeln, anderes Bein. Klappt besser als beim Hecher Speed Up – knapp hinter dem vor mir angekommenen Fahrer geht es in die Abfahrt. Skibrille im fahren anziehen, sackra kaum Sicht, weil voller Schnee: Tunnelblick wegen der Brille und auch sonst. Beide Skistöcke in die linke Hand. Ein Streckenposten leitet mich auf einen engen, buckligen Sommerweg. Die Renn-Teerschneider fahren ned ganz so komfortabel durch den zerfahrenen schweren Pulver wie die breiten Bretter der letzten Tage. Die ersten Meter fährt genau genommen jeder der Ski in seine eigene Richtung. Und schon bleibe ich rechts im Schnee hängen – Piruette und Haltungsnote 5,6. 100m weiter das Gleiche wieder, diesmal anders rum. Na sauber, wie langefahre ich jetzt schon Ski? Dann bin ich wieder Herr über die garstigen Ski und überhole den Läufer, der mir im Flachstück entglitt. Weiter. Vor mir jetzt derjenige, den ich kurz vor der Wechselzone gehen lassen musste. Ich bin schneller als er, komme aber wegen der Enge nicht vorbei. So gehen wir auf den 300m langen leicht ansteigenden Wegabschnitt. Das Skaten geht besser als erwartet: Stöcke wieder in beide Hände, wir überholen einen weiteren Läufer, nun wieder Abfahrt und Stöcke Links. In tiefer Hocke gleiten wir einen Ziehweg entlang. Als es steiler wird schere ich in etwas tieferen Schnee aus und habe wohl das bessere Wachs erwischt: Langsam gleite nun ich vorbei. Die Oberschenkel brennen und auf der letzten Rille geht es die restliche Abfahrt hinunter – möglichst schnell, aber auch möglichst sicher. Die Streckenposten weisen den Weg, manche Kurve wird, hmmm, etwas spontan eingeleitet. Die gut 15m Vorsprung kann ich halten und komme vor ihm mit brennenden Oberschenkeln ins Ziel.
Wegen einer evt. Teamwertung bin ich in der Rennklasse gemeldet (s. oben: wie gegen Martin, Wiggins & Co). Immerhin braucht man mich somit nicht lange in der Ergebnisliste suchen: Einfach ganz unten beginnen und schon steht dort mein Name ;-). In der Tourenklasse hätte es mit 1:57 zum 14. von 40 Startern gereicht. Damit bin ich dann schon wieder zufrieden.
Bei der Siegerehrung werden noch viele Sachpreise verlost. Hauptgewinn ist eine komplette Skitourenausrüstung für etwa 1.500€ – bei einer Veranstaltung mit 90 Startern (140 Gemeldete) – das gibts im Radsport nicht. Eigentlich gute Chancen bei einer so geringen Grundgesamtheit, aber leider ist mir das Losglück nicht geneigt und auch heute geh ich leer aus.
Unten im Tal weiterhin Schneeregen. Durch Knöchelhohes Eiswasser wate ich zum Bus, flute meine Turnschuhe und gönne meinen Füssen eine Extraportion Durchblutung. Jetzt noch durch den nicht schlimmen Heimreiseverkehr nach Hause, zum Felbertauerntunnel flutsch ich grad noch so ohne Ketten rauf, das Adrenalin im Blut hält die Stimmung hoch bis ich den Motor wieder ausmache. Jetzt fängts ja doch gut an.