Endlich unterwegs

Aller Anfang ist schwer - die ersten zehn Tage

Sonntag, 13.März: Eine feine Firntour im Karwendel mit Freunden soll der Start unseres Trips sein. Mit Rainer gehen wir noch im Dunkeln los, ich richte mir meinen linken Handschuh – wie immer mit dem Mund und den Zähnen. Die rechte Hand tut ja nicht. Und zack: Es zerlegt eine Zahnkrone und ich spucke die Brösel aus. Das war es dann also mit dem geplanten Aufbruch und der Möglichkeit, tags drauf den Orient Express mit Johannes und Laura gehen zu können. In den letzten Wochen verschoben mehrere Dinge den Aufbruch, nun sollte es endlich soweit sein. Am Freitag gepackt, Samstags nach der Tour den Rest verstaut, nochmal alles gecheckt, was vergessen worden sein könnte, ein letztes Mal von Andrea verabschiedet, und jetzt spucke ich unseren Aufbruch aus. Den ganzen schönen Tag bin ich so frustriert, dass ich die tollen Bedingungen kaum genießen kann.
Dienstag, 15.04.: Mein Zahnarzt schob mich am Dienstag ein, kümmerte sich zwei Stunden um den Zahn. Herzlichen Dank hierfür! Ich sollte ihn nun im Anschluss korrekt versorgen lassen – aber ich gehe ins Risiko, werde auf Tour nun immer die Knirsch Schiene tragen und hoffe, dass nichts besser hält als das Provisorium. Pünktlich zum Sahara-Staub, warmen Temperaturen, leichtem Regen und den ersten Nassschnee Lawinen starten wir. Na prima.

Lechtaler Light

Fast immer Schnee
Fast immer Schnee

Eigentlich sollte es zu ein paar längeren, steileren Touren ins Lechtal gehen. Die Bedingungen lassen das nicht zu und so machen wir am Rand der Lechtaler am späten Abend halt. Es regnet leicht, wir planen nichts.

Am Morgen um 10:00 Uhr entscheiden wir uns dazu, in Richtung Pleispitze zu schauen. Es huift ja nix, warm war es eh die ganze Nacht und wenn es nichts ist, drehen wir wieder um. Es lässt sich gar nicht so schlecht an, wir gehen einfach immer weiter und bis auf wenige Meter schwindeln wir uns letztlich immer auf Schnee bis zum Gipfel. Geht doch! Auf der anderen Seite sieht es schon recht gesetzt aus, die ersten Schwünge laufen gut und wir nehmen die Abfahrt noch mit. Anfellen, zurück und wir schwingen am WoBi ab. Wer hätte das heute Morgen gedacht.

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Wüstentour?
Wüstentour?

Sulzkogel

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Noch immer Wüstentour

Die Lechtaler waren uns mit der Wärme zu heikel, wir wollten weiter rauf in kältere Bereiche und fuhren noch nach Kühtai.
Zum zu erwartenden Schnee passend erschien der Sulzkogel: Wahrscheinlich eingefahren, relativ schnell machbar, überschaubar.
Zumindest die letzten beiden Attribute stimmen nur dann, wenn man sich nicht hinter dem Stausee sauber verkoffert und mal so die falsche Rinne hochstiefelt – blind einer alten Spur folgend. Wen wundert’s bei der Sicht mit dem Staub in der Luft. Nun, da wir schon da sind, versuchen wir die Rinne bis ans Ende zu gehen. 30 Hm unter dem Sattel wird uns der Schnee zum Stapfen endgültig zu tief, wir fahren im zweitbesten Schnee des Winters ab, biegen auf die richtige Spur ab und kommen so tatsächlich auf den Sulzkogel. Die Abfahrt nun gar nicht so schlecht. Nochmal übernachten, dann geht’s zu Rainer und Martina nach Vorarlberg.

Alvier

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Waalensee

Rainer und Martina sah ich zuletzt vor zwei Jahren. Anstatt 2020 die abgesagte Pierra Menta zu laufen, waren wir auf der Tessin-Durchquerung bei traumhaften Verhältnissen unterwegs. Nach einem herzlichen Wiedersehen fahren wir mit Martina in die Alvier Gruppe der Buchser Berge. Die sind für uns Neuland und gut auf dem Weg nach Disentis gelegen. Dort möchten wir bei der Trofea Piz Ault starten. Langsam wird der Staub weniger, es sind wenig Leute für einen Samstag unterwegs, wenig Schnee hat es aber auch – wie überall. Beeindruckend ist die Sicht auf den Waalensee, die steile Seite der Churfirsten, und die Gruppe selbst bietet viele Varianten. Wir sind begeistert und erweitern kurzentschlossen um einen weiteren Anstieg. Dieser bringt uns zu einer Abfahrt, die ohne Tragerei genau am WoBi endet. Perfekt!

Trofea Piz Ault

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Nachmittags ging es gleich weiter nach Disentis zur Trofea Piz Ault. Kurzfristig hatten wir uns zu diesem Rennen auf Martina’s Empfehlung hin angemeldet: Obwohl im Skigebiet gelegen, läuft es mit zwei Tragepassagen über 1.600 Hm komplett im Gelände. Start ist um 8:00 Uhr, also frühes Frühstück. Lenzi ordert einen seltenen Kaffee, wir organisieren uns mittlerweile gut, so dass die übliche Hektik vor einem Rennen nichts anrichten kann. Fast nicht: Noch in der Talstation fällt mir auf, dass Lenzi ohne Rucksack unterwegs ist…
Wir schaffen es rechtzeitig zum Start, auch etwas Warmlaufen geht sich aus. Alles gut. Das Rennen selbst werden wir nicht mehr vergessen: Lenzi nimmt mir zwei Minuten ab. Ich fühle mich nicht richtig gut, komme kaum in Fahrt, habe nach der ersten Abfahrt durchgehend Nasenbluten – und könnt noch 1.000 andere Gründe oder Ausreden anführen. Wie auch immer: Er war das erste Mal schneller als ich – ich freu mich riesig!

Piz Russein (Tödi) von Süden

Genauer Gipfelbucheintrag
Genauer Gipfelbucheintrag

Lenzi soll sich nicht zu früh gefreut haben. Könnte man meinen. Vom Jubigrat wissen wir, dass 2.600 Hm Aufstieg drin sind. Piz Russein von Süden ist eine tolle Tour und mit etwa 3.000Hm nur etwas mehr. Unten hat es relativ viel Schnee, man muss wenig tragen. Warum also nicht versuchen? Rainer Nootz schlägt die Variante durch die SW Wand vor. Ich trau Lenzi das bis 50° steile Gelände durchaus zu und würde es selbst gern machen. Wir schauen uns einige Berichte an und Lenzi’s anfängliche Begeisterung verfliegt: Zu unsicher ist er sich, wie er mit der Ausgesetztheit in der 900m Wand umgehen kann. Wir hatten ausgemacht, dass ich ihn nicht zu Touren überreden werde, und priblemlos verschieben wir die SW Wand.
Mit den Rennski kommt Lenzi kraftsparend voran, wir sind stetig unterwegs und erreichen für uns überraschend schnell den Gipfel. Über die ersten 500Hm der Abfahrt vom Piz Russein reden wir lieber nicht. Deutlich besser läuft dann der Rest. Glücklich haben wir uns nun den folgenden Ruhetag verdient.

Restday

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Am Lukmanier schlafen, gut frühstücken, faulenzen, Wasser auffüllen, kochen, essen,…

Piz Rondadura

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Es müssen nicht immer 3.000Hm sein. Deshalb heute auf den Piz Rondadura. Wir hoffen, von dort einen Blick auf die Verhältnisse am Cristallino werfen zu können. Wie im letzten Jahr mit Andrea, Birgit und Michi halten wir uns nicht lange am kalten und zugigen Gipfel auf. Im Fernglas sieht der Cristallino wenig einladend aus: es hat einfach zu wenig Schnee.
Die Abfahrt hält, was wir uns gewünscht hatten. Bald haben wir umgeplant und anstatt zum Cristallino geht es nun ins Val Bedretto, das vom Rondadura aus gesehen zumindest oberhalb der Baumgrenze weiß aussah.

Piz Rotondo

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Gern denke ich noch immer an das Skitourenrennen „Tris Rotondo“ zurück: 2014 mit über 3.000 Hm mein erstes großes Rennen im Team mit Rainer bei perfekten Verhältnissen. Einzig das 20 minütige Suchen meines verlorenen Skis war ärgerlich, aber schnell vergessen. Letztes Jahr verbrachten Andrea und ich nochmals zwei Tage in All’Acqua, mit Lenzi soll es heute auf den Piz Rotondo gehen. Die letzten 250Hm durch ein nicht zu steiles Couloir, oben leichte Kletterei: Steigeisen und Pickel also nicht nur zur Gaudi am und im Rucksack – genau die richtige Mischung.
Wir stochern etwas im Staudenhang, gehen wegen Schneemangel die direkte Variante, bemerken, dass die Brotzeit im WoBi liegt und kalkulieren, dass es auch so gehen sollte.
Den „Notriegel“ aus den tiefen des Rucksacks isst Lenzi am Einstieg des Couloirs. Die ersten felsigen Meter scheint der Zucker noch nicht im Blut angekommen zu sein, und etwas hacklig arbeitet er sich hoch zum Schnee. Die Stapferei läuft und schon stehen wir an den einfachen aber wackligen Felsen des Gipfelaufbaus. Soso: „einfach“ schreibt der Führer. Aus dem Couloir heraus muss ich etwas zaubern – „einfach“. Aha. Am Grat nochmals eine echte Kletterei. Ich finds kurzweilig. Lenzi ist beeindruckt von Schatten und etwas Ausgesetztheit. Angenehmer erscheint ihm der sonnige Nebengipfel. Noch ein Versuch – geht doch. Gemeinsam am Gipfel, da fehlt auch die Brotzeit nicht. Zurück geht’s auch. Wenngleich nicht auf perfektem Firn, aber beklagen wollen wir uns nicht.

Chüebodenhorn

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Und weiter zur Sidelenlücke – das war der Plan.
Den Aufstieg zum Gerenpass kennen wir großteils schon vom Rotondo und diesmal ist auch die Brotzeit im Rucksack. Vom Pass geht es noch 150Hm mit Ski weiter, die restlichen 250 Hm steigen wir über Blockgelände mühsam weiter. Die Zeit bleibt liegen und mit ihr auch die Motivation, nach Norden abzufahren, um über die Sidelenlücke zurück zu gehen. Dort kommen wir sicher zu spät für die Südhänge an. Dazu ist der Schnee nordseitig verblasen, hart oder gepresst – also schnell zum Passo di Manio und runter. Kurz kommen beim Abfellen Zweifel wegen des verworfenen Plans, aber die verfliegen im Firn.
Weiter geht’s nun ins Aosta Tal zur Tour de Rutor am Ende der Woche.

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