Überraschung in den bayerischen Voralpen
Vorgeschichte: Jeder Kletterer aus dem bayerischen Oberland kennt die Probsten-Ostwand. Hell steht sie vor der Benediktenwand und leuchtet in das Isartal hinunter, wenn man in der Früh über Lengriess auf dem Weg zu Ross- und Buchstein, ins Karwendel usw. ist. Jeder hat sie schon einmal gesehen, jeder weiss, dass es dort irgendwelche alten Klassiker geben soll, jeder fragt sich schon immer, ob man da nicht g’scheid klettern kann. Schon etwa 1990 wollten Andreas Moser und ich dieser Frage auf den Grund gehen und machten eine Erkundungstour an die Probsten- Ostwand. Wir hielten das damals für unlohnend und vergaßen sie wieder.
Umso überraschter war ich, als mich 2003 Jochen anrief. Er habe eine neue Tour an der Probsten-Nordwand geklettert: Super Fels, recht schnell zu erreichen und es gibt sonst keine weiteren Touren. Der Erschließer der Wand, Stefan Haider, wäre froh wenn noch mehr Leute zum einrichten kämen.
Die Probsten-Nordwand sieht man erst, wenn man praktisch davor steht, und so schlief sie lange ihren Dornröschenschlaf – ich ließ mir den Zugang beschreiben, setzte mich mit Stefan in Verbindung und organisierte eine Hilti.
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Anmerkung in 2015:
Stefan bohrte die meisten Touren dort oben ein und kam ein paar Jahre später beim Eisklettern in einer Lawine ums Leben. Insofern ist jede Tour dort oben auch ein Stefan Haider Gedächtnisweg. Vielleicht macht Ihr Euch bisher nicht viele Gedanken um die Gedächtniswege. Bei mir hat sich das mittlerweile, nicht zuletzt wegen des Unfalls, geändert.
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Zuerst fehlte mir noch der Partner, so machte ich mich allein auf den Weg, um die ersten 5 Bolts der “Lorenzo di Bavarese” alleine, gesichert mit modifiziertem GriGri, einzurichten. Den Rest bohrte ich dann mit Unterstützung von Hans-Jochen Hägele und Franz Mösbauer. Die “Bayerischer Sanetsch” entstand wiederum mit Hilfe von Hans-Jochen Hägele.
Übersicht/Charakter: Die Probsten-Nordwand bietet Sportklettereien von 1 bis 4 SL in festem, überwiegend senkrechten bis leicht geneigtem Kalk. Vor allem im Hauptteil der Wand klettert man meist an mehr oder weniger großen Löchern und Dellen. Plattenschleicher, wie am nahegelegenen Ross- und Buchstein, findet man hier kaum. Der Fels ist rau und kompakt, nur wenige Risse gliedern den Hauptteil. In den langen Touren sind die Löcher zum Großteil noch sandig. Da immer wieder Wasser über die Wand läuft, macht es auch keinen Sinn, die Löcher zu putzen. In der Regel stört das aber nicht weiter.
Obwohl es eine Nordwand ist, trocknet sie relativ schnell nach schauerartigen Regenfällen ab. Nach Dauerregen braucht es aber etwa zwei, drei Tage. Die Löcher können dann noch etwas schmierig sein, was aber nicht weiter stört. Meist weht ein leichtes Lüftchen, und auch wenn man beim hinaufradeln in der Sonne recht schwitzte, kann es dann vor allem beim sichern kühl werden. Somit ist die Probsten ein ideales Ziel für heiße Sommertage. Aber auch im frühen Herbst lässt es sich noch entspannt klettern – letztlich ist das natürlich alles subjektiv.
Helm oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Die Wand ist reichlich hoch, oben liegen Steine umeinander und wenn mal wieder einer der ansässigen Steinböcke einen solchen in den freien Fall befördert, dann kann es schon recht knallen. Also eine potentielle Steinschlaggefahr herrscht auf alle Fälle, auch kann es immer wieder sein, dass ein Schüppchen bricht, oder der ein oder andere Kiesel von einem kleinen Band oder aus einem Loch beim klettern hinunter gestoßen wird.
Absicherung: Alle Touren sind mit rostreien 10mm Schwerlastankern abgesichert. Deren Abstände sind zumeist recht sportlich – die Schwierigkeiten sollten einigermaßen
beherrscht werden, da man öfter recht weit wegsteigen muss. Keile, und Friends können nur sehr selten gelegt werden. Beim “Bayerischen Sanetsch” nahm ich sie zum einbohren gar nicht mehr mit. Alle Touren sind zum Abseilen eingerichtet, oft ist aber ein 50m Doppelseil erforderlich.
Zufahrt: Von Bad Tölz auf der Westseite des Isartals nach Schlegeldorf/Arzbach und bei kleiner Kirche rechts in Richtung Längental. Am ersten Parkplatz vorbei, über den Bach und weiter durch den Wald, der dann nicht mehr asphaltierten Strasse folgen. Am Parkplatz der Kirchsteinhütte parken (großer, aber oft auch voller P).
Zugang: Am besten mit MTB weiter, zuerst steil etwa 250 Hm die Forststrasse hinauf, links abbiegen, immer in Richtung Kirchsteinhütte. Dort vorbei und weiter ins Längental und zu den hinteren Längentalalmen. Hier die Tagesplanung überdenken und kalkulieren, ob nach getaner Taten noch Kuchen übrig sein mag. Im Zweifel lieber gleich Pause machen, Kuchen und Buttermilch bestellen. Weiter durch das Weidegatter bis zu einer markanten Lichtung. hier je nach Radlaune das MTB stehen lassen oder noch den nächsten steilen Aufschwung mitnehmen. Bei der nächsten markanten Lichtung (links versteckt private Edelweissht., kleiner Bachlauf kreuzt Forstweg) Rad entgültig stehen lassen und nach rechts über den Bach. Nun einem schlechten Forstweg folgen, nach 400m auf Pfadspuren durch die Wiese unter die nun sichtbare Wand. Zeit: etwa 45 Min. mit MTB plus etwa 20 Min. zu Fuß.
Die Touren:
- Mutterntag, 2SL (6, 6+)
- Schokodonut, 5+
- Grünallergie, 8-
- Sanduhr XL, 2SL (7,7+)
- M&M, 7-
- Scheinbar unscheinbar, 8
- Schlawiener, 4SL (8-,7,7-,7)
- Oimabtrieb, 4SL (7;7-,7-,7)
- Das gelobte Land, 3SL (7+,7+,7-)
- Lorenzo di Bavarese 4SL (6+,7,6,7+)
- Bayerischer Sanetsch, 3SL (7-, 7-, 8-/8)
- Isarwinklertraum, 3SL (6,6+,7)
- In der Ostwand gibt es noch eine weitere Tour von Stefan Haider und Tom Hesslinger: Brunch, 8+, 240m